Benutzer:Christoph.benda: Unterschied zwischen den Versionen

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In ''Djilor'', dem zweiten Teil von ''Senghor on the Rocks'', beginnt diese Reise erst so richtig. In Begleitung des Senegalesen Assane, der Chi aus zunächst unklaren Motiven behilflich ist, bereist er  die heilige Stadt Touba und macht sich ins Landesinnere auf, um die Mague – die ehrwürdigen Ältesten einer bedeutenden senegalesischen Familie – nach Dakar zu bringen. Am Ende wird er Opfer eines vorsätzlichen kulturellen Missverständnisses und muss Dakar verlassen.  
 
In ''Djilor'', dem zweiten Teil von ''Senghor on the Rocks'', beginnt diese Reise erst so richtig. In Begleitung des Senegalesen Assane, der Chi aus zunächst unklaren Motiven behilflich ist, bereist er  die heilige Stadt Touba und macht sich ins Landesinnere auf, um die Mague – die ehrwürdigen Ältesten einer bedeutenden senegalesischen Familie – nach Dakar zu bringen. Am Ende wird er Opfer eines vorsätzlichen kulturellen Missverständnisses und muss Dakar verlassen.  
  
Teil III – ''L'Homme Tranquille'' – handelt zum größten Teil an der Petite-Côte, einer touristisch voll erschlossenen Baderegion mit Luxushotels, Yachtclubs, Eventkultur und unvermeidlichen Wohlstandsverlierern. Unwillig, in der konsumwütigen Touristenmasse aufzugehen, die sich zu Silvester über die Petite-Côte ergießt, schließt sich Chi einem einheimischen Koch an, dessen Restaurant zerstört worden ist, um einem weiteren französischen Hotelkomplex Platz zu machen. Chi unterstützt die Bemühungen des rebellischen Gastronomen, eine Party zu organisieren, deren Gewinn die gerichtliche Anfechtung der Enteignung finanzieren soll.  
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Teil III – ''L'Homme Tranquille'' – handelt zum größten Teil an der Petite-Côte, einer touristisch voll erschlossenen Baderegion mit Luxushotels, Yachtclubs, Eventkultur und unvermeidlichen Wohlstandsverlierern. Unwillig, in der konsumwütigen Touristenmasse aufzugehen, die sich zu Silvester über die Petite-Côte ergießt, schließt sich Chi L'Homme Tranquille an, einem einheimischen Koch, dessen Restaurant zerstört worden ist, um einem weiteren französischen Hotelkomplex Platz zu machen. Chi unterstützt die Bemühungen des rebellischen Gastronomen, eine Party zu organisieren, deren Gewinn die gerichtliche Anfechtung der Enteignung finanzieren soll.  
  
 
Die gesamte Story wird chronologisch, in der ersten Person und unmittelbar aus dem Moment des Geschehens erzählt, es gibt keine übergeordnete, erklärende Instanz, die zwischen den widersprüchlichen „Normalitäten“ der westlichen Welt und des afrikanischen Lebens vermitteln könnte. Dem Leser steht – wie auch dem Protagonisten – nicht mehr zur Verfügung, als der sich langsam öffnende, subjektive Blick eines jungen Europäers. Florian Ledermann bezeichnet den Roman als temporeiches Abenteuer, das als Job beginnt, sich zu einer unfreiwilligen Reise entwickelt und seinen Höhepunkt in der Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen kulturenübergreifenden Verstehens findet.<ref>Originalzitat: "It's a fast paced adventure that starts as a job, develops into an involuntary journey and culminates in a reflection about the possibilities and limits of cross-cultural understanding", http://www.smh.com.au/articles/2008/11/25/1227491538136.html (zuletzt am 9. März 2010)</ref> Der chronologisch lineare, monoperspektivische Aufbau des Romans hat die Umsetzung als "Geo-Novel"<ref>Der Begriff wurde offenbar von Stephen Hutcheon (Sydney Morning Herald) geprägt und von zahlreichen Bloggern und Journalisten - z.B. [http://www.psfk.com/2008/12/geo-referenced-literature-senghor-on-the-rocks.html/ PSFK] u.v.a. - übernommen, vgl. http://www.smh.com.au/articles/2008/11/25/1227491538136.html (alle Seiten zuletzt aufgerufen am 9. März 2010)</ref> begünstigt.<ref>siehe: http://www.senghorontherocks.net/about.html</ref>
 
Die gesamte Story wird chronologisch, in der ersten Person und unmittelbar aus dem Moment des Geschehens erzählt, es gibt keine übergeordnete, erklärende Instanz, die zwischen den widersprüchlichen „Normalitäten“ der westlichen Welt und des afrikanischen Lebens vermitteln könnte. Dem Leser steht – wie auch dem Protagonisten – nicht mehr zur Verfügung, als der sich langsam öffnende, subjektive Blick eines jungen Europäers. Florian Ledermann bezeichnet den Roman als temporeiches Abenteuer, das als Job beginnt, sich zu einer unfreiwilligen Reise entwickelt und seinen Höhepunkt in der Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen kulturenübergreifenden Verstehens findet.<ref>Originalzitat: "It's a fast paced adventure that starts as a job, develops into an involuntary journey and culminates in a reflection about the possibilities and limits of cross-cultural understanding", http://www.smh.com.au/articles/2008/11/25/1227491538136.html (zuletzt am 9. März 2010)</ref> Der chronologisch lineare, monoperspektivische Aufbau des Romans hat die Umsetzung als "Geo-Novel"<ref>Der Begriff wurde offenbar von Stephen Hutcheon (Sydney Morning Herald) geprägt und von zahlreichen Bloggern und Journalisten - z.B. [http://www.psfk.com/2008/12/geo-referenced-literature-senghor-on-the-rocks.html/ PSFK] u.v.a. - übernommen, vgl. http://www.smh.com.au/articles/2008/11/25/1227491538136.html (alle Seiten zuletzt aufgerufen am 9. März 2010)</ref> begünstigt.<ref>siehe: http://www.senghorontherocks.net/about.html</ref>
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Das Projekt liegt in nur einer Version vor, die jedoch einem stetigen Wandel unterliegt. Die zahlreichen Updates des Karten- bzw Bildmaterials, die Google seit 2008 durchgeführt hat, haben einige Beeinträchtigungen in der Darstellung im Interface von '''Senghor on the Rocks''' nach sich gezogen. So hat etwa der "Jump Cut" von Dakar nach Wien auf [http://www.senghorontherocks.net/part1.html#15 Textseite 29 des ersten Teils], einer der wenigen Szenen, die die lineare, chronologische Textstruktur durchbrechen, auf einigen der Folgeseite Darstellungsprobleme zu Folge. Vereinzelt führt auch die veränderte Kalibrierung der neuen Satellitenbilder dazu, dass der für das Projekt eingeführte Pfeil seine Funktion, einen Handlungsort anzuzeigen oder den Verlauf einer Reisebewegung nachzuvollziehen, nicht mehr präzise erfüllt.
 
Das Projekt liegt in nur einer Version vor, die jedoch einem stetigen Wandel unterliegt. Die zahlreichen Updates des Karten- bzw Bildmaterials, die Google seit 2008 durchgeführt hat, haben einige Beeinträchtigungen in der Darstellung im Interface von '''Senghor on the Rocks''' nach sich gezogen. So hat etwa der "Jump Cut" von Dakar nach Wien auf [http://www.senghorontherocks.net/part1.html#15 Textseite 29 des ersten Teils], einer der wenigen Szenen, die die lineare, chronologische Textstruktur durchbrechen, auf einigen der Folgeseite Darstellungsprobleme zu Folge. Vereinzelt führt auch die veränderte Kalibrierung der neuen Satellitenbilder dazu, dass der für das Projekt eingeführte Pfeil seine Funktion, einen Handlungsort anzuzeigen oder den Verlauf einer Reisebewegung nachzuvollziehen, nicht mehr präzise erfüllt.
Ein im Kontext der Netzliteratur wesentlich interessanterer Effekt ergibt sich daraus, dass der Text im Verhältnis zu den stets aktualisierten Bildern der außerliterarischen Wirklichkeit anachronistisch wird. Besonders deutlich wird dies u.a. auf den Textseiten 43ff des dritten Teils von Senghor on the Rocks. Der Text beschreibt ein verfallendes Haus außerhalb von Saly, einem Touristenort an der Küste des Senegal, dessen Expansion aggressiv und meist zum Nachteil ortsansässiger Gewerbetreibender vorangetrieben wird. Das Haus im Text dient einem dieser Benachteiligten als Ort des Rückzugs und des aussichtslosen Widerstandes gegen das Wuchern der Hotel- und Bungalowanlagen ausländischer Investoren. Das Haus auf den Satellitenbildern ist längst verschwunden. Es musste - genau wie in der abgebildeten Realität - einer Bungalowanlage weichen. Damit bestätigt die Abweichung der Bilder vom Text die Prognosen, die der fiktionale Text der außerliterarischen Wirklichkeit stellt. Das Spiel um Realismus und Fiktionalität (FN: vgl dazu Texte und Karten - Geografie der Literatur), das die Kombination eines Romantextes mit dem scheinbar realistischen Abbild der außerliterarischen Wirklichkeit, das eine Karte bitet, in Gang setzt, wird durch die Alterung des Textes im Verhältnis zur Karte fortgeführt.  
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Ein im Kontext der Netzliteratur wesentlich interessanterer Effekt ergibt sich jedoch daraus, dass der Text im Verhältnis zu den stets aktualisierten Bildern der außerliterarischen Wirklichkeit anachronistisch wird. Besonders deutlich wird dies u.a. auf den [http://www.senghorontherocks.net/part3.html#22 Textseiten 43ff des dritten Teils] von Senghor on the Rocks. Der Text beschreibt ein verfallendes Haus außerhalb des Touristenortes Saly an der Petite-Côte, das L'Homme Tranquille als Ort des Rückzugs und des aussichtslosen Widerstandes gegen das Wuchern der Hotel- und Bungalowanlagen ausländischer Investoren dient. Das Haus auf den Satellitenbildern ist längst verschwunden. Es musste - genau wie in der abgebildeten Realität - einer Bungalowanlage weichen. Damit bestätigt die Abweichung der Bilder vom Text die Prognosen, die der fiktionale Text der außerliterarischen Wirklichkeit stellt. Das Spiel um Realismus und Fiktionalität<ref>Vgl. dazu das Impulsreferat zu [http://www.senghorontherocks.net/Christoph Benda - Senghor on the Rocks Geo Data City.pdf/ Texte und Karten - Geografie der Literatur], gehalten am 10.02.2011 in Wien</rf>, das die Kombination eines Romantextes mit dem scheinbar realistischen Abbild der außerliterarischen Wirklichkeit, das eine Karte bitet, in Gang setzt, wird durch die Alterung des Textes im Verhältnis zur Karte fortgeführt.  
  
 
== Kritik und Verbreitung ==
 
== Kritik und Verbreitung ==

Version vom 10. April 2015, 20:11 Uhr

Senghor on the Rocks ist ein 2008 veröffentlichtes online Literatur-Projekt. Christoph Benda (Text, Geodaten), Johannes Krtek (Design) und Florian Ledermann (Programmierung, Produktion) haben unter diesem Titel den ersten vollständig mit geografischen und zeitlichen Koordinaten versehenen Roman unter einer Creative Commons Lizenz ins Netz gestellt.[1]

Handlung

Am 20. Dezember 2001 feierte der Senegal euphorisch die erstmalige Qualifikation für eine Fußball-Weltmeisterschaft, als bekannt wurde, dass in Verson Léopold Sédar Senghor gestorben war, der erste Präsident der Republik. Die Kollision dieser zwei Ereignisse von nationaler Bedeutung, die Fragen nach dem Wesen der Unabhängigkeit sowie der Identität des Landes aufwarf, nutzt der Roman als erzählerischen Einstiegspunkt. In drei Teilen behandelt Senghor on the Rocks das Eintauchen eines jungen Mannes aus Österreich in den pulsierenden Alltag Westafrikas.

Im ersten Teil des Romans (Coupe du Monde) hetzt der Protagonist Martin 'Chi' Tschirner, der als Kameraassistent bei einem Promotion-Dreh in Dakar angeheuert hat, an der Seite eines rassistischen Regisseurs, eines sexbesessenen Kameramanns und einer attraktiven Produktionsleiterin durch eine unübersichtliche, laute und fremdartige Stadt. Innerhalb weniger Tage bringt er sich in gröbere berufliche und private Schwierigkeiten und beschließt trotzig, sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen und sich allein auf eine Reise durch den ihm völlig unbekannten Senegal zu begeben.

In Djilor, dem zweiten Teil von Senghor on the Rocks, beginnt diese Reise erst so richtig. In Begleitung des Senegalesen Assane, der Chi aus zunächst unklaren Motiven behilflich ist, bereist er die heilige Stadt Touba und macht sich ins Landesinnere auf, um die Mague – die ehrwürdigen Ältesten einer bedeutenden senegalesischen Familie – nach Dakar zu bringen. Am Ende wird er Opfer eines vorsätzlichen kulturellen Missverständnisses und muss Dakar verlassen.

Teil III – L'Homme Tranquille – handelt zum größten Teil an der Petite-Côte, einer touristisch voll erschlossenen Baderegion mit Luxushotels, Yachtclubs, Eventkultur und unvermeidlichen Wohlstandsverlierern. Unwillig, in der konsumwütigen Touristenmasse aufzugehen, die sich zu Silvester über die Petite-Côte ergießt, schließt sich Chi L'Homme Tranquille an, einem einheimischen Koch, dessen Restaurant zerstört worden ist, um einem weiteren französischen Hotelkomplex Platz zu machen. Chi unterstützt die Bemühungen des rebellischen Gastronomen, eine Party zu organisieren, deren Gewinn die gerichtliche Anfechtung der Enteignung finanzieren soll.

Die gesamte Story wird chronologisch, in der ersten Person und unmittelbar aus dem Moment des Geschehens erzählt, es gibt keine übergeordnete, erklärende Instanz, die zwischen den widersprüchlichen „Normalitäten“ der westlichen Welt und des afrikanischen Lebens vermitteln könnte. Dem Leser steht – wie auch dem Protagonisten – nicht mehr zur Verfügung, als der sich langsam öffnende, subjektive Blick eines jungen Europäers. Florian Ledermann bezeichnet den Roman als temporeiches Abenteuer, das als Job beginnt, sich zu einer unfreiwilligen Reise entwickelt und seinen Höhepunkt in der Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen kulturenübergreifenden Verstehens findet.[2] Der chronologisch lineare, monoperspektivische Aufbau des Romans hat die Umsetzung als "Geo-Novel"[3] begünstigt.[4]

Technische Umsetzung

Zielsetzung der Entwickler war, dem Nutzer/ Leser des Romans mit den Karten ein neuartiges, kontinuierliches Rezeptionserlebnis zu bieten.[5] Dazu wurde die von Google Maps vorgegebene Kartendarstellung von einer statisch, technischen zu einer performativen Perspektive weiterentwickelt, die als Entsprechung der subjektiven, suchenden und teils konfusen Wahrnehmung des Romanprotagonisten dienen soll. Die Google Maps API wurde um vier Animationsfunktionen erweitert, die in der Kartendarstellung eine Reihe neuer Möglichkeiten bieten und so die Bewegungen auf der Karten näher an das Erlebnis einer "Kamerafahrt" bringen. Zusätzlich wurde anstelle der Marker und Sprechblasen, die Google Maps zur Verfügung stellt, ein beweglicher, rotierbarer Pfeil eingeführt. Die größere semantische Offenheit dieses Zeichens erlaubt es ebenso, eindeutige Handlungsorte zu markieren wie auch Blickrichtungen, bewegliche Objekte oder weitere Gebiete anzuzeigen, in denen sich eine Handlung vollzieht.

Die Implementierung orientiert sich an den Grundsätzen des Mikroformate[6]-Paradigmas und wurde so umgesetzt, dass alle Daten - Geokoordinaten, Zoomlevels, Pfeilpositionen, Fahrten etc. - gemeinsam mit dem Text in einem HTML-Dokument gespeichert sind. Der Roman kann daher - bei deaktivierten Stylesheets - auch als HTML-Text betrachtet und ausgedruckt werden. Die Umsetzung der Benutzerschnittstelle erfolgt mittels eines Stylesheets und eines Scripts, das bei Aufruf der Seite geladen und ausgeführt wird und die im HTML-Code enthaltenen raum-zeitlichen Informationen interpretiert.

Design

Für das Design wurde eine als „book-a-like“[7] bezeichnete Buch-Metapher gewählt, die dem Leser Funktionen zur Verfügung stellt, die aus dem Umgang mit analogen Büchern bekannt sind. Die Benutzerschnittstelle stellt ein Buch dar, das - einmal "aufgeschlagen" - auf der rechten Seite Text und auf der linken das dazugehörige Kartenbild bietet. Ein Lesezeichen ermöglicht, nach einer Pause seitengenau wieder in den Text einzusteigen. Selbst der Buchblock wurde visualisiert, der Lesern Orientierung verschafft, wie weit sie im Text vorgedrungen sind. Für jeden der drei Romanteile wurde ein eigenes Buch-Cover geschaffen. Die als Collagen gestalteten Cover-Illustrationen nehmen ausschließlich auf den Inhalt des Buches Bezug und drängen den technologischen Aspekt des Projektes weiter in den Hintergrund. In der Rezeption hat vor allem das Cover des ersten Teils ikonografische Funktionen erfüllt und wurde in zahlreichen Medienberichten, Literaturverzeichnissen und Blog-Einträgen im Sinne eines tatsächlichen Buch-Covers zitiert.[8]

Die Wahl eines Buches als Interface für einen Online-Roman und die damit verbundene Einschränkung der Browser-Funktionen stellt als "Nicht-Befolgen digitaler Spielregeln"[9] eine bewusste Irritation dar. Dennoch hat die Design-Entscheidung offenbar zur Verbreitung des Projektes beigetragen und wurde u.a. von PAGE[10] und Die Welt[11] gewürdigt.

Versionen

Das Projekt liegt in nur einer Version vor, die jedoch einem stetigen Wandel unterliegt. Die zahlreichen Updates des Karten- bzw Bildmaterials, die Google seit 2008 durchgeführt hat, haben einige Beeinträchtigungen in der Darstellung im Interface von Senghor on the Rocks nach sich gezogen. So hat etwa der "Jump Cut" von Dakar nach Wien auf Textseite 29 des ersten Teils, einer der wenigen Szenen, die die lineare, chronologische Textstruktur durchbrechen, auf einigen der Folgeseite Darstellungsprobleme zu Folge. Vereinzelt führt auch die veränderte Kalibrierung der neuen Satellitenbilder dazu, dass der für das Projekt eingeführte Pfeil seine Funktion, einen Handlungsort anzuzeigen oder den Verlauf einer Reisebewegung nachzuvollziehen, nicht mehr präzise erfüllt. Ein im Kontext der Netzliteratur wesentlich interessanterer Effekt ergibt sich jedoch daraus, dass der Text im Verhältnis zu den stets aktualisierten Bildern der außerliterarischen Wirklichkeit anachronistisch wird. Besonders deutlich wird dies u.a. auf den Textseiten 43ff des dritten Teils von Senghor on the Rocks. Der Text beschreibt ein verfallendes Haus außerhalb des Touristenortes Saly an der Petite-Côte, das L'Homme Tranquille als Ort des Rückzugs und des aussichtslosen Widerstandes gegen das Wuchern der Hotel- und Bungalowanlagen ausländischer Investoren dient. Das Haus auf den Satellitenbildern ist längst verschwunden. Es musste - genau wie in der abgebildeten Realität - einer Bungalowanlage weichen. Damit bestätigt die Abweichung der Bilder vom Text die Prognosen, die der fiktionale Text der außerliterarischen Wirklichkeit stellt. Das Spiel um Realismus und FiktionalitätReferenzfehler: Für ein <ref>-Tag fehlt ein schließendes </ref>-Tag. und wurde in die Electronic Literature Collection Vol. 2[12] der Electronic Literature Organization aufgenommen. Im Dissertationsprojekt „Geomediale Literatur“ von Annika Richerich/ Universität Siegen[13] wird Senghor on the Rocks gemeinsam mit The 21 Steps, dem F.A.Z. Romanatlas und dem Projekt Landvermesser als Fallbeispiel behandelt und wird in rezenten Publikationen unter den Kategorie "locative narratives"[14] bzw. als "geo-graphic novel"[15] besprochen. Die Reaktionen in Presse und Blogs reichen von Begeisterung - "ein wunderschönes Experiment"[16], "rund, spannend und gut lesbar"[17] - über Skepsis - "Ist das überhaupt eine Idee?"[18] - bis zu glatter Ablehnung: "Kokolores"[19].

Weblinks

http://www.senghorontherocks.net

Einzelnachweise

  1. "Der Roman Senghor on the Rocks von Christoph Benda ist der erste komplett geogetaggte Roman", Mey, Stefan: Schriftsteller entdecken den Reiz der virtuellen Karten, in: Wirtschaftsblatt, 3. Juni 2008, S. 23 (auch http://www.wirtschaftsblatt.at/archiv/329280/index.do (zuletzt am 9. März 2010)); „... a literary event in its own right is the hugely impressive Senghor on the Rocks, the first full-length novel consistently illustrated with Google Maps.“ http://googlemapsmania.blogspot.com/2008/06/first-novel-on-google-maps.html (zuletzt am 9. März 2010)
  2. Originalzitat: "It's a fast paced adventure that starts as a job, develops into an involuntary journey and culminates in a reflection about the possibilities and limits of cross-cultural understanding", http://www.smh.com.au/articles/2008/11/25/1227491538136.html (zuletzt am 9. März 2010)
  3. Der Begriff wurde offenbar von Stephen Hutcheon (Sydney Morning Herald) geprägt und von zahlreichen Bloggern und Journalisten - z.B. PSFK u.v.a. - übernommen, vgl. http://www.smh.com.au/articles/2008/11/25/1227491538136.html (alle Seiten zuletzt aufgerufen am 9. März 2010)
  4. siehe: http://www.senghorontherocks.net/about.html
  5. Benda, Christoph und Ledermann, Florian (2008): Senghor on the Rocks: A Georeferenced Electronic Novel, S. 12, http://elmcip.net/critical-writing/senghor-rocks-georeferenced-electronic-novel (zuletzt am 9. Oktober 2012)
  6. http://microformats.org/
  7. http://www.senghorontherocks.net/about.html
  8. z.B. Base de récits interactifs et autres œuvres interactives, http://www.utc.fr/~bouchard/recit/consultation/ (zuletzt am 9. März 2010)
  9. vgl. Exposé des Dissertationsvorhabens "Geomediale Literatur“ von Annika Richerich/ Universität Siegen, http://www.uni-siegen.de/locatingmedia/personen/richterich.html?lang=de (zuletzt am 9. März 2010)
  10. Gerdes, Claudia: Literatur-Marketing im Web. In: Page. Ideen und Know-how für Design, Werbung, Medien. 03.2009, S. 52-57, hier S.56f
  11. Werner, Hendrik: Roman aus der Vogelperspektive, Die Welt, 1. Dezember 2008, S. 23, auch: http://www.welt.de/welt_print/article2808343/Roman-aus-der-Vogelperspektive.html (zuletzt am 9. März 2010)
  12. http://collection.eliterature.org/2/
  13. http://www.uni-siegen.de/locatingmedia/personen/richterich.html?lang=de (zuletzt am 9. März 2010)
  14. Laura Borràs Castanyer and Juan B. Gutiérrez: The Global Poetic System. A System of Poetic Positioning. In: Jörgen Schäfer, Peter Gendolla (Hg.): Beyond the Screen: Transformations of Literary Structures, Interfaces and Genre, Bielefeld: transcript 2010, S. 345-361 – S. 349
  15. Annika Richterich: Cartographies of Digital Fiction: Amateurs Mapping a New Literary Realism. In: The Cartographic Journal, 48.4 (2011), S. 237 – 249 sowie Barbara Piatti: Vom Text zur Karte – Literaturkartographie als Ideengenerator. In: Kartographisches Denken. Hrsg. von Christian Reder. Wien: Springer 2012, S. 269-279. - S. 271 (online verfügbar unter http://www.literaturatlas.eu/files/2012/08/kartographischesdenken.pdf - zuletzt am 22. Oktober 2012)
  16. http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,592812,00.html (zuletzt am 9. März 2010)
  17. http://oe1.orf.at/highlights/124300.html (zuletzt am 1. März 2010)
  18. http://de-bug.de/medien/archives/buch-gemappt.html (zuletzt am 1. Dezember 2009)
  19. http://archiv.sueddeutsche.de/954386/361/2673842/Ohne-Zoom-und-Blende.html (zuletzt am 1. Dezember 2009)