Vogl, Christine: Unterschied zwischen den Versionen

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(Christine Vogl, M. A. (München))
 
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* 1994-1999 Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum
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* 2007–2015 Studium der Germanistik und Anglistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München
* 2000 Abschluss 1. Staatsexamen und Magister Artium an der Ruhr-Universität Bochum
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* 3/2015 Magister Artium mit der Arbeit: Die Paralipomena zu Lessings Laokoon. Überlieferung, Anordnung, Edition
* 2004 Promotion  an der Universität Duisburg/Essen
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* 2009-2015 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. Dr. Friedrich Vollhardt (München), dabei u. a. Mitarbeit an seiner Studienausgabe von G. E. Lessings Laokoon (Stuttgart 2012)
* 2006-2009 Wissenschaftliche Assistentin an der Ruhr-Universität Bochum
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* 4/2015-6/2018 Stipendiatin im Promotionsprogramm des Interdisziplinären Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel „Wissensspeicher und Argumentationsarsenal. Funktionen der Bibliothek in den kulturellen Zentren der Frühen Neuzeit“ mit einem Dissertationsvorhaben zum Thema: „Mehr ,unordentliche Collectaneaʻ als ein Buch? Eine Untersuchung zur Genese von Lessings Laokoon-Projekt“
* 2009-2015 Akademische Rätin auf Zeit für Germanistische Mediävistik  an der Ruhr-Universität Bochum
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* seit 5/2015 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. Dr. Friedrich Vollhardt am Institut für Deutsche Philologie der LMU München
* 2015 Habilitation an der Ruhr-Universität Bochum, Venia legendi: ‚Deutsche Philologie‘
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* seit 3/2019 Mitarbeit an der Edition der "Gesammelten Schriften" Johann Georg Sulzers im Rahmen der Alexander von Humboldt Professur von Prof. Dr. Elisabeth Décultot an der MLU Halle-Wittenberg
* 2016 Gastdozentur an der University of Oxford
 
* seit 2017 Heisenberg-Stipendiatin (DFG) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
 
* 2017 – 2018 Lehrstuhlvertretung an der Universität Rostock
 
  
 
==Editionen==
 
==Editionen==
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* Mitarbeit an Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie. Studienausgabe. Hg. von Friedrich Vollhardt. Stuttgart 2012.
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* Mitarbeit an Johann Georg Sulzer: Gesammelte Schriften. Hg. von Hans Adler und Elisabeth Décultot. Basel 2014ff.
  
 
==Forschungsschwerpunkte==
 
==Forschungsschwerpunkte==
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==[[Donnerstag|Vortrag]]==
 
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===LAOKOON ODER ÜBER DIE GRENZEN VON TEXT UND EPITEXT. PROLEGOMENA ZU
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===Laokoon oder über die Grenzen von Text und Epitext. Prolegomena zu einer digitalen Edition von G. E. Lessings Laokoon-Projekt===
EINER DIGITALEN EDITION VON G. E. LESSINGS LAOKOON-PROJEKT===
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Die breite Rezeption, die Lessings kunsttheoretische Hauptschrift „Laokoon: oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie“ seit ihrem Erscheinen im Jahr 1766 erfahren hat, steht in einem eklatanten Missverhältnis zu den Bemühungen um eine zuverlässige Textedition. Denn seit der 1788 von Lessings Bruder Karl Gotthelf besorgten Laokoon-Ausgabe bis heute wird neben der Druckfassung des „Ersten Theils“ nur eine mehr oder weniger umfangreiche Auswahl jener (Epi-)Textstücke präsentiert, die für die geplante Fortsetzung und Umarbeitung vorgesehen waren bzw. zum Avant-Texte gehören. Seit der 1898 von Lachmann/Muncker vorgelegten Edition, die nach wie vor die Textgrundlage für alle neueren Ausgaben bildet, beschränkt sich diese Auswahl auf 30 Nachlassstücke, für die Wilfried Barner in seiner Studienausgabe die Bezeichnung ‚Paralipomena‘ eingeführt hat. Wie nicht zuletzt Untersuchungen von Elisabeth Blakert (1999) und der Verfasserin (Vogl 2013) zeigen konnten, handelt es sich dabei jedoch um eine ungerechtfertigte Festschreibung, die dem tatsächlichen Umfang von Lessings auf drei Teile angelegtem Projekt in keinster Weise gerecht wird. Denn zu seinem kunsttheoretischen Vorhaben sind nicht nur jene 30 Paralipomena zu zählen, sondern auch zahlreiche (Epi-)Textstücke, die im Umfeld des Projekts entstanden, doch in anderen Zusammenhängen überliefert sind, so etwa mehrere Anmerkungen in seinem Handexemplar von Winckelmanns Kunstgeschichte, diverse Notizen in seinem Kollektaneenband und verschiedene Äußerungen in seinen Briefen, allen voran jenes Schreiben vom 26. Mai 1769 an Friedrich Nicolai, das man mit Blakert als Exposé zum geplanten dritten Teil bezeichnen kann. Hinzu kommen noch zahlreiche epitextuelle Elemente in Lessings antiquarischen Schriften, die immer wieder auf sein Laokoon-Projekt Bezug nehmen, ja von diesem sogar ausgehen und es gewissermaßen fortsetzen. Dabei sind die Grenzen von Text und Epitext fließend, sodass sich die Frage aufdrängt, wie all diese Elemente in einer historisch-kritischen Ausgabe angemessen wiedergegeben werden können. Zu bedenken ist ferner, dass zum geplanten zweiten und dritten Teil von Lessings Vorhaben überhaupt keine endgültige Textfassung existiert, sondern lediglich Schemata, Vorstudien und auktoriale Äußerungen epitextuellen Charakters aus unterschiedlichen Konzeptionsphasen überliefert sind, die sich nicht zu einem widerspruchsfreien Ganzen zusammenfügen lassen. Dieser komplexe Textbefund ist am besten in einer digitalen Edition abzubilden, die nicht an die Zweidimensionalität des Printmediums gebunden ist, sondern durch Hyperlinks und die Möglichkeiten einer synoptischen ebenso wie einer genetischen Textdarbietung die Ebenen von Text und Avant- bzw. Epitext mit ihren je eigenen Überlieferungsträgern angemessen darstellen kann. Zu diskutieren ist außerdem, ob nicht das Konzept des Avant- bzw. Epitexts für eine historisch-kritische Edition von Lessings Laokoon-Projekt besser geeignet wäre als der von Barner vorgeschlagene Begriff der Paralipomena, denn dadurch ließen sich auch Briefe und andere epitextuelle Elemente, die für das kunsttheoretische Vorhaben eine zentrale Rolle spielen, problemlos aufnehmen und in einer digitalen Ausgabe multifunktional einbinden.
Die nachhaltige Wirkung und breite Rezeption, die Lessings kunsttheoretische Hauptschrift seit
 
ihrem Erscheinen im Jahr 1766 beschieden war, steht in einem eklatanten Missverhältnis zu
 
deren editorischer Darbietung. Denn seit der 1788 von Lessings Bruder Karl Gotthelf besorgten
 
Laokoon-Edition bis heute wird neben der Druckfassung des Ersten Theils nur eine mehr oder
 
weniger umfangreiche Auswahl jener (Epi-)Texte präsentiert, die für die geplante Fortsetzung
 
und Umarbeitung vorgesehen waren bzw. zum Avant-Texte gehören. Seit der 1898 von
 
Lachmann/Muncker vorgelegten Edition, die nach wie vor die Textgrundlage für alle neueren
 
Ausgaben bildet, beschränkt sich diese Auswahl auf 30 Texte, für die Wilfried Barner in seiner
 
Studienausgabe die Bezeichnung ‚Paralipomena‘ eingeführt hat. Wie nicht zuletzt Untersuchungen
 
von Elisabeth Blakert (1999) und Christine Vogl (2013) zeigen konnten, handelt es
 
sich dabei jedoch um eine ungerechtfertigte Festschreibung, die dem tatsächlichen Umfang von
 
Lessings auf drei Teile angelegtem Projekt in keinster Weise gerecht wird.
 
Denn zu seinem kunsttheoretischen Vorhaben sind nicht nur jene 30 Paralipomena zu zählen,
 
sondern auch zahlreiche (Epi-)Texte, die im Umfeld des Projekts entstanden, doch in anderen
 
Zusammenhängen überliefert sind, so etwa mehrere Anmerkungen in seinem Handexemplar
 
von Winckelmanns Kunstgeschichte, diverse Notizen in seinem Kollektaneenband und verschiedene
 
Äußerungen in seinen Briefen, allen voran jenes Schreiben vom 26. Mai 1769 an
 
Friedrich Nicolai, das man mit Blakert als Exposé zum geplanten dritten Teil bezeichnen kann.
 
Hinzu kommen noch zahlreiche epitextuelle Elemente in Lessings antiquarischen Schriften, die
 
immer wieder auf sein Laokoon-Projekt Bezug nehmen, ja von diesem sogar ausgehen und es
 
gewissermaßen fortsetzen. Dabei sind die Grenzen von Text und Epitext fließend, sodass sich
 
die Frage aufdrängt, wie all diese Elemente in einer historisch-kritischen Ausgabe angemessen
 
wiedergegeben werden können.
 
Zu bedenken ist ferner, dass zum geplanten zweiten und dritten Teil von Lessings Vorhaben
 
überhaupt keine endgültige Textfassung existiert, sondern lediglich Schemata, Vorstudien und
 
auktoriale Äußerungen epitextuellen Charakters aus unterschiedlichen Konzeptionsphasen
 
überliefert sind, die sich nicht zu einem widerspruchsfreien Ganzen zusammenfügen lassen.
 
Dieser komplexe Textbefund ist am besten in einer digitalen Edition abzubilden, die nicht an
 
die Zweidimensionalität des Printmediums gebunden ist, sondern durch Hyperlinks und die
 
Möglichkeiten einer synoptischen ebenso wie einer genetischen Textdarbietung die Ebenen von
 
Text und Avant- bzw. Epitext mit ihren je eigenen Überlieferungsträgern angemessen darstellen
 
kann. Zu diskutieren ist außerdem, ob nicht das Konzept des Avant- bzw. Epitexts für eine
 
historisch-kritische Edition von Lessings Laokoon-Projekt besser geeignet wäre als der von
 
Barner vorgeschlagene Begriff der Paralipomena, denn dadurch ließen sich auch Briefe und
 
andere epitextuelle Elemente, die für das kunsttheoretische Vorhaben eine zentrale Rolle
 
spielen, problemlos aufnehmen und in einer digitalen Ausgabe multifunktional einbinden.
 

Aktuelle Version vom 22. Januar 2020, 07:00 Uhr

Christine Vogl, M.A. (München)

  • 2007–2015 Studium der Germanistik und Anglistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • 3/2015 Magister Artium mit der Arbeit: Die Paralipomena zu Lessings Laokoon. Überlieferung, Anordnung, Edition
  • 2009-2015 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. Dr. Friedrich Vollhardt (München), dabei u. a. Mitarbeit an seiner Studienausgabe von G. E. Lessings Laokoon (Stuttgart 2012)
  • 4/2015-6/2018 Stipendiatin im Promotionsprogramm des Interdisziplinären Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel „Wissensspeicher und Argumentationsarsenal. Funktionen der Bibliothek in den kulturellen Zentren der Frühen Neuzeit“ mit einem Dissertationsvorhaben zum Thema: „Mehr ,unordentliche Collectaneaʻ als ein Buch? Eine Untersuchung zur Genese von Lessings Laokoon-Projekt“
  • seit 5/2015 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. Dr. Friedrich Vollhardt am Institut für Deutsche Philologie der LMU München
  • seit 3/2019 Mitarbeit an der Edition der "Gesammelten Schriften" Johann Georg Sulzers im Rahmen der Alexander von Humboldt Professur von Prof. Dr. Elisabeth Décultot an der MLU Halle-Wittenberg

Editionen

  • Mitarbeit an Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie. Studienausgabe. Hg. von Friedrich Vollhardt. Stuttgart 2012.
  • Mitarbeit an Johann Georg Sulzer: Gesammelte Schriften. Hg. von Hans Adler und Elisabeth Décultot. Basel 2014ff.

Forschungsschwerpunkte

Lessing-Forschung; Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts; Analyse literarischer Handschriften; Historische Papierforschung und Filigranologie; Theorie und Praxis der Editionswissenschaften

Vortrag

Laokoon oder über die Grenzen von Text und Epitext. Prolegomena zu einer digitalen Edition von G. E. Lessings Laokoon-Projekt

Die breite Rezeption, die Lessings kunsttheoretische Hauptschrift „Laokoon: oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie“ seit ihrem Erscheinen im Jahr 1766 erfahren hat, steht in einem eklatanten Missverhältnis zu den Bemühungen um eine zuverlässige Textedition. Denn seit der 1788 von Lessings Bruder Karl Gotthelf besorgten Laokoon-Ausgabe bis heute wird neben der Druckfassung des „Ersten Theils“ nur eine mehr oder weniger umfangreiche Auswahl jener (Epi-)Textstücke präsentiert, die für die geplante Fortsetzung und Umarbeitung vorgesehen waren bzw. zum Avant-Texte gehören. Seit der 1898 von Lachmann/Muncker vorgelegten Edition, die nach wie vor die Textgrundlage für alle neueren Ausgaben bildet, beschränkt sich diese Auswahl auf 30 Nachlassstücke, für die Wilfried Barner in seiner Studienausgabe die Bezeichnung ‚Paralipomena‘ eingeführt hat. Wie nicht zuletzt Untersuchungen von Elisabeth Blakert (1999) und der Verfasserin (Vogl 2013) zeigen konnten, handelt es sich dabei jedoch um eine ungerechtfertigte Festschreibung, die dem tatsächlichen Umfang von Lessings auf drei Teile angelegtem Projekt in keinster Weise gerecht wird. Denn zu seinem kunsttheoretischen Vorhaben sind nicht nur jene 30 Paralipomena zu zählen, sondern auch zahlreiche (Epi-)Textstücke, die im Umfeld des Projekts entstanden, doch in anderen Zusammenhängen überliefert sind, so etwa mehrere Anmerkungen in seinem Handexemplar von Winckelmanns Kunstgeschichte, diverse Notizen in seinem Kollektaneenband und verschiedene Äußerungen in seinen Briefen, allen voran jenes Schreiben vom 26. Mai 1769 an Friedrich Nicolai, das man mit Blakert als Exposé zum geplanten dritten Teil bezeichnen kann. Hinzu kommen noch zahlreiche epitextuelle Elemente in Lessings antiquarischen Schriften, die immer wieder auf sein Laokoon-Projekt Bezug nehmen, ja von diesem sogar ausgehen und es gewissermaßen fortsetzen. Dabei sind die Grenzen von Text und Epitext fließend, sodass sich die Frage aufdrängt, wie all diese Elemente in einer historisch-kritischen Ausgabe angemessen wiedergegeben werden können. Zu bedenken ist ferner, dass zum geplanten zweiten und dritten Teil von Lessings Vorhaben überhaupt keine endgültige Textfassung existiert, sondern lediglich Schemata, Vorstudien und auktoriale Äußerungen epitextuellen Charakters aus unterschiedlichen Konzeptionsphasen überliefert sind, die sich nicht zu einem widerspruchsfreien Ganzen zusammenfügen lassen. Dieser komplexe Textbefund ist am besten in einer digitalen Edition abzubilden, die nicht an die Zweidimensionalität des Printmediums gebunden ist, sondern durch Hyperlinks und die Möglichkeiten einer synoptischen ebenso wie einer genetischen Textdarbietung die Ebenen von Text und Avant- bzw. Epitext mit ihren je eigenen Überlieferungsträgern angemessen darstellen kann. Zu diskutieren ist außerdem, ob nicht das Konzept des Avant- bzw. Epitexts für eine historisch-kritische Edition von Lessings Laokoon-Projekt besser geeignet wäre als der von Barner vorgeschlagene Begriff der Paralipomena, denn dadurch ließen sich auch Briefe und andere epitextuelle Elemente, die für das kunsttheoretische Vorhaben eine zentrale Rolle spielen, problemlos aufnehmen und in einer digitalen Ausgabe multifunktional einbinden.