Vogl, Christine

Aus AG-Tagung 2020
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Christine Vogl, M.A. (München)

  • 2007–2015 Studium der Germanistik und Anglistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • 3/2015 Magister Artium mit der Arbeit: Die Paralipomena zu Lessings Laokoon. Überlieferung, Anordnung, Edition
  • 2009-2015 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. Dr. Friedrich Vollhardt (München), dabei u. a. Mitarbeit an seiner Studienausgabe von G. E. Lessings Laokoon (Stuttgart 2012)
  • 4/2015-6/2018 Stipendiatin im Promotionsprogramm des Interdisziplinären Instituts für Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit der Universität Osnabrück und der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel „Wissensspeicher und Argumentationsarsenal. Funktionen der Bibliothek in den kulturellen Zentren der Frühen Neuzeit“ mit einem Dissertationsvorhaben zum Thema: „Mehr ,unordentliche Collectaneaʻ als ein Buch? Eine Untersuchung zur Genese von Lessings Laokoon-Projekt“
  • seit 5/2015 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. Dr. Friedrich Vollhardt am Institut für Deutsche Philologie der LMU München
  • seit 3/2019 Mitarbeit an der Edition der "Gesammelten Schriften" Johann Georg Sulzers im Rahmen der Alexander von Humboldt Professur von Prof. Dr. Elisabeth Décultot an der MLU Halle-Wittenberg

Editionen

  • Mitarbeit an Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder Über die Grenzen der Malerei und Poesie. Studienausgabe. Hg. von Friedrich Vollhardt. Stuttgart 2012.
  • Mitarbeit an Johann Georg Sulzer: Gesammelte Schriften. Hg. von Hans Adler und Elisabeth Décultot. Basel 2014ff.

Forschungsschwerpunkte

Lessing-Forschung; Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts; Analyse literarischer Handschriften; Historische Papierforschung und Filigranologie; Theorie und Praxis der Editionswissenschaften

Vortrag

Laokoon oder über die Grenzen von Text und Epitext. Prolegomena zu einer digitalen Edition von G. E. Lessings Laokoon-Projekt

Die breite Rezeption, die Lessings kunsttheoretische Hauptschrift „Laokoon: oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie“ seit ihrem Erscheinen im Jahr 1766 erfahren hat, steht in einem eklatanten Missverhältnis zu den Bemühungen um eine zuverlässige Textedition. Denn seit der 1788 von Lessings Bruder Karl Gotthelf besorgten Laokoon-Ausgabe bis heute wird neben der Druckfassung des „Ersten Theils“ nur eine mehr oder weniger umfangreiche Auswahl jener (Epi-)Textstücke präsentiert, die für die geplante Fortsetzung und Umarbeitung vorgesehen waren bzw. zum Avant-Texte gehören. Seit der 1898 von Lachmann/Muncker vorgelegten Edition, die nach wie vor die Textgrundlage für alle neueren Ausgaben bildet, beschränkt sich diese Auswahl auf 30 Nachlassstücke, für die Wilfried Barner in seiner Studienausgabe die Bezeichnung ‚Paralipomena‘ eingeführt hat. Wie nicht zuletzt Untersuchungen von Elisabeth Blakert (1999) und der Verfasserin (Vogl 2013) zeigen konnten, handelt es sich dabei jedoch um eine ungerechtfertigte Festschreibung, die dem tatsächlichen Umfang von Lessings auf drei Teile angelegtem Projekt in keinster Weise gerecht wird. Denn zu seinem kunsttheoretischen Vorhaben sind nicht nur jene 30 Paralipomena zu zählen, sondern auch zahlreiche (Epi-)Textstücke, die im Umfeld des Projekts entstanden, doch in anderen Zusammenhängen überliefert sind, so etwa mehrere Anmerkungen in seinem Handexemplar von Winckelmanns Kunstgeschichte, diverse Notizen in seinem Kollektaneenband und verschiedene Äußerungen in seinen Briefen, allen voran jenes Schreiben vom 26. Mai 1769 an Friedrich Nicolai, das man mit Blakert als Exposé zum geplanten dritten Teil bezeichnen kann. Hinzu kommen noch zahlreiche epitextuelle Elemente in Lessings antiquarischen Schriften, die immer wieder auf sein Laokoon-Projekt Bezug nehmen, ja von diesem sogar ausgehen und es gewissermaßen fortsetzen. Dabei sind die Grenzen von Text und Epitext fließend, sodass sich die Frage aufdrängt, wie all diese Elemente in einer historisch-kritischen Ausgabe angemessen wiedergegeben werden können. Zu bedenken ist ferner, dass zum geplanten zweiten und dritten Teil von Lessings Vorhaben überhaupt keine endgültige Textfassung existiert, sondern lediglich Schemata, Vorstudien und auktoriale Äußerungen epitextuellen Charakters aus unterschiedlichen Konzeptionsphasen überliefert sind, die sich nicht zu einem widerspruchsfreien Ganzen zusammenfügen lassen. Dieser komplexe Textbefund ist am besten in einer digitalen Edition abzubilden, die nicht an die Zweidimensionalität des Printmediums gebunden ist, sondern durch Hyperlinks und die Möglichkeiten einer synoptischen ebenso wie einer genetischen Textdarbietung die Ebenen von Text und Avant- bzw. Epitext mit ihren je eigenen Überlieferungsträgern angemessen darstellen kann. Zu diskutieren ist außerdem, ob nicht das Konzept des Avant- bzw. Epitexts für eine historisch-kritische Edition von Lessings Laokoon-Projekt besser geeignet wäre als der von Barner vorgeschlagene Begriff der Paralipomena, denn dadurch ließen sich auch Briefe und andere epitextuelle Elemente, die für das kunsttheoretische Vorhaben eine zentrale Rolle spielen, problemlos aufnehmen und in einer digitalen Ausgabe multifunktional einbinden.