Vogl, Christine
Inhaltsverzeichnis
Christine Vogl, M.A. (München)
- 1994-1999 Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum
- 2000 Abschluss 1. Staatsexamen und Magister Artium an der Ruhr-Universität Bochum
- 2004 Promotion an der Universität Duisburg/Essen
- 2006-2009 Wissenschaftliche Assistentin an der Ruhr-Universität Bochum
- 2009-2015 Akademische Rätin auf Zeit für Germanistische Mediävistik an der Ruhr-Universität Bochum
- 2015 Habilitation an der Ruhr-Universität Bochum, Venia legendi: ‚Deutsche Philologie‘
- 2016 Gastdozentur an der University of Oxford
- seit 2017 Heisenberg-Stipendiatin (DFG) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
- 2017 – 2018 Lehrstuhlvertretung an der Universität Rostock
Editionen
Forschungsschwerpunkte
Lessing-Forschung; Literatur- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts; Analyse literarischer Handschriften; Historische Papierforschung und Filigranologie; Theorie und Praxis der Editionswissenschaften
Vortrag
Laokoon oder über die Grenzen von Text und Epitext. Prolegomena zu einer digitalen Edition von G. E. Lessings Laokoon-Projekt
Die nachhaltige Wirkung und breite Rezeption, die Lessings kunsttheoretische Hauptschrift seit ihrem Erscheinen im Jahr 1766 beschieden war, steht in einem eklatanten Missverhältnis zu deren editorischer Darbietung. Denn seit der 1788 von Lessings Bruder Karl Gotthelf besorgten Laokoon-Edition bis heute wird neben der Druckfassung des Ersten Theils nur eine mehr oder weniger umfangreiche Auswahl jener (Epi-)Texte präsentiert, die für die geplante Fortsetzung und Umarbeitung vorgesehen waren bzw. zum Avant-Texte gehören. Seit der 1898 von Lachmann/Muncker vorgelegten Edition, die nach wie vor die Textgrundlage für alle neueren Ausgaben bildet, beschränkt sich diese Auswahl auf 30 Texte, für die Wilfried Barner in seiner Studienausgabe die Bezeichnung ‚Paralipomena‘ eingeführt hat. Wie nicht zuletzt Untersuchungen von Elisabeth Blakert (1999) und Christine Vogl (2013) zeigen konnten, handelt es sich dabei jedoch um eine ungerechtfertigte Festschreibung, die dem tatsächlichen Umfang von Lessings auf drei Teile angelegtem Projekt in keinster Weise gerecht wird. Denn zu seinem kunsttheoretischen Vorhaben sind nicht nur jene 30 Paralipomena zu zählen, sondern auch zahlreiche (Epi-)Texte, die im Umfeld des Projekts entstanden, doch in anderen Zusammenhängen überliefert sind, so etwa mehrere Anmerkungen in seinem Handexemplar von Winckelmanns Kunstgeschichte, diverse Notizen in seinem Kollektaneenband und verschiedene Äußerungen in seinen Briefen, allen voran jenes Schreiben vom 26. Mai 1769 an Friedrich Nicolai, das man mit Blakert als Exposé zum geplanten dritten Teil bezeichnen kann. Hinzu kommen noch zahlreiche epitextuelle Elemente in Lessings antiquarischen Schriften, die immer wieder auf sein Laokoon-Projekt Bezug nehmen, ja von diesem sogar ausgehen und es gewissermaßen fortsetzen. Dabei sind die Grenzen von Text und Epitext fließend, sodass sich die Frage aufdrängt, wie all diese Elemente in einer historisch-kritischen Ausgabe angemessen wiedergegeben werden können. Zu bedenken ist ferner, dass zum geplanten zweiten und dritten Teil von Lessings Vorhaben überhaupt keine endgültige Textfassung existiert, sondern lediglich Schemata, Vorstudien und auktoriale Äußerungen epitextuellen Charakters aus unterschiedlichen Konzeptionsphasen überliefert sind, die sich nicht zu einem widerspruchsfreien Ganzen zusammenfügen lassen. Dieser komplexe Textbefund ist am besten in einer digitalen Edition abzubilden, die nicht an die Zweidimensionalität des Printmediums gebunden ist, sondern durch Hyperlinks und die Möglichkeiten einer synoptischen ebenso wie einer genetischen Textdarbietung die Ebenen von Text und Avant- bzw. Epitext mit ihren je eigenen Überlieferungsträgern angemessen darstellen kann. Zu diskutieren ist außerdem, ob nicht das Konzept des Avant- bzw. Epitexts für eine historisch-kritische Edition von Lessings Laokoon-Projekt besser geeignet wäre als der von Barner vorgeschlagene Begriff der Paralipomena, denn dadurch ließen sich auch Briefe und andere epitextuelle Elemente, die für das kunsttheoretische Vorhaben eine zentrale Rolle spielen, problemlos aufnehmen und in einer digitalen Ausgabe multifunktional einbinden.