Strobel, Jochen

Aus AG-Tagung 2020
Wechseln zu: Navigation, Suche

Prof. Dr. Jochen Strobel (Marburg)

  • 1986-1992 Studium der Germanistik und Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München
  • 1993-1996 Stipendiat der Sächsischen Graduiertenförderung
  • 1997 Promotion an der TU Dresden
  • 1998 und 2006 Stipendiat der Stiftung Weimarer Klassik
  • 1998-2002 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Dresden
  • 2002-2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt "Kritische Gesamtausgabe von Nietzsches Werken. IX. Abteilung" (TU Berlin/Goethe- und Schiller-Archiv Weimar)
  • seit 2004 Lehrbeauftragter am Institut für Neuere deutsche Literatur und Medien der Philipps-Universität Marburg
  • seit 2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neuere deutsche Literatur der Philipps-Universität Marburg
  • 2009 Habilitation, Privatdozent an der Philipps-Universität Marburg
  • 2011-2017 Stellvertretender Vorsitzender der Hugo von Hofmannsthal-Gesellschaft e.V.
  • seit 2014 apl. Professor an der Universität Marburg

Forschungsschwerpunkte

Briefkultur; Digitale Edition; Kognitive Literaturwissenschaft; Literatur der Romantik und der Klassischen Moderne; Lyrik

Vortrag

Normdaten als ‚Peritexte‘ in der digitalen Briefedition?

Genettes Begrifflichkeit impliziert eine harte Grenze zwischen ‚Werk‘ als ‚eigentlichem‘ Text und allem anderen, davon ausgeschlossenen, kurz: der Begriff des Paratexts perpetuiert einen emphatischen Werkbegriff, der in aller Regel an die Vorstellung von Autorisiertheit und den idealen Rekurs auf eine Editio princeps geknüpft ist. Die Rede von den ‚Paratexten‘ vermittelt in ihrer Gesamtheit ein buchgeschichtlich geprägtes Bild von zu edierendem Text; das zeigt insbesondere das typische Spektrum der Peritext-Gattungen. Indessen ist es durchaus sinnvoll, für nichtautorisierte, ‚aus dem Nachlass‘ zu edierende Texte (Briefe, Tagebücher, Notizbücher, Entwürfe, Skizzen) von Paratexten zu sprechen, ohne freilich Genettes strikte Grenzziehung nachvollziehen zu wollen. Der Brief kann nicht in besagter emphatischer Weise als ‚Werk‘ aufgefasst werden, sondern muss als pragmatische Kommunikationsform mit spezifischer Materialität gesehen werden, deren Einzelexemplar stets aus der Kontingenz der Überlieferung heraus ediert wird, als ‚Überrest‘, der dem Kreislauf alltäglichen Schreibens und Vernichtens entronnen ist. Zu den Paratexten des Briefs (etwa: Adresse, Briefmarke, Datum, Absenderort, im weiteren Sinn: Anrede und Unterschrift) und seinen Epitexten (Postvermerk, Empfängervermerk, Signaturen etc.) zählen auch seine wichtigsten, den Einzelbrief eindeutig charakterisierenden Metadaten, vor allem Absender, Adressat, beider Orte, Schreibdatum, Signatur. Die teils unvollständig überlieferten, von Editor*innen nicht selten rekonstruierten Metadaten des Briefs liegen also grundsätzlich schon als Paratexte des Briefs selbst vor. Damit erweisen sich als editionswürdiges ‚Beiwerk‘ des Briefs nur scheinbar von der Edition eines autorisierten Texts gänzlich abweichende Zeichenketten, denn z. B. die Namen der an einer Buchpublikation beteiligten Personen und Institutionen, Orts- und Zeitangaben finden sich traditionell in Gestalt eines sehr prominenten Paratexts, nämlich des Titelblattes und des Impressums/der Titelei. Freilich ergeben sich hieraus kaum editorische Probleme; diese Daten werden schlicht in Form bibliographischer Angaben genannt, d.h. die Repräsentation dieser Informationen ist längst formal normiert und ansonsten unproblematisch, da diese Daten zitiert, nicht ediert werden. Nicht so die basalen Metadaten des Briefs. Weder besteht bislang ein Konsens darüber, welches die wirklich unverzichtbaren Metadaten sind, noch ist ausgemacht, wie diese in digitalen Editionen notiert werden. Zweifellos beginnt sich die Auffassung durchzusetzen, dass diese Metadaten möglichst als Normdaten notiert und repräsentiert (mit entsprechender Nummerierung versehen; verlinkt; zitierfähig gemacht) werden (und somit nicht ediert). Der Vortrag berichtet aus der Praxis der Ermittlung, Ansetzung und editorischen Repräsentation von Normdaten zu Personen und Werken (GND) im Rahmen einer digitalen Briefedition (www.augustwilhelm- schlegel.de). (Insofern überschreitet er die in der Ausschreibung genannte Definition von Paratext, denn GND-Daten beruhen auch auf explizit in den Briefen genannten oder dort implizierten Personen und Werken.) Die entstehenden Daten stehen beispielhaft für das im Tagungsexposé genannte „Zusammenwachsen von institutionellen Metadaten und Editionen“. Auch wenn mit Personen und Werken, die in Briefen genannt oder impliziert sind, verglichen mit Peritexten wie Umschlag, Typografie, Farbgestaltung etc. vermeintlich elementare, geradezu immer schon fokussierte Begleitinformationen angesprochen werden (die üblicherweise in Inhaltsverzeichnis, Briefkopf, Namens- und Werkregister Eingang fanden), so kann doch unser Werkstattbericht über die für Briefeditionen mutmaßlich spezifischen Probleme bei der Identifikation von Personen (und Werken) sowie die aktuell mögliche Ansetzungspraxis in Kooperation mit der SLUB Dresden und der DNB informieren und Problemlösungsversuche skizzieren, etwa: typische Lücken bei der Vergabe von GND-Einträgen; geforderte und wünschenswerte Referenzen; Redaktionsstelle; Werkbegriff etc.