Schonlau, Anja

Aus AG-Tagung 2020
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Dr. Anja Schonlau (Göttingen)

Vortrag

Paratexte in digitalen Editionen zur historischen Aufführungspraxis am Beispiel des populären Dramas um 1800

Der Beitrag setzt sich mit dem Verhältnis von Dramentexten und überlieferten Aufführungszeugnissen am Beispiel einer digitalen Edition zum populären Drama um 1800 auseinander. Im Zentrum des Editionsmodells soll die synoptische Ansicht des Dramenerstdrucks und eines Regie-/ Soufflierbuches stehen, die durch die Kategorien ‚Theaterquellen I-III‘ (Textbücher, Publikumsinformation, Bühnenausstattung), ‚Aufführungsrezeption‘, ‚Schauspieler‘, Theatergebäude I-III (Bühne, Publikum, Gebäude), ‚Programm-Kontext‘, ‚Aufführungs-Zeit‘, ‚Spielplan‘, ‚Institution Theater‘, ‚Zensur‘ und eine Netzwerkkarte der Aufführungsgeschichte ergänzt wird. Ausgehend von diesem Editionsbeispiel möchte der Beitrag zur Bestimmung von Auswahlkriterien für Epitexte und zur theoretischen Einordnung der Überlieferungszeugnisse beitragen, wobei es sich vornehmlich um Textzeugnisse handelt.

  • Regiebuch: Was als Paratext in einer Edition erscheint, bestimmt das Editionskonzept.

Zu klären ist, ob das Regiebuch zwangsläufig als Epitext eines Dramentext bestimmt werden muß. Denn grundsätzlich ist eine unendliche Anzahl von Regiebüchern zu einem Dramentext möglich.1 Eine Aufführung, sei sie durch einen Film oder ein Textzeugnis überliefert, steht aber immer im Verhältnis zu nur einem Dramen- bzw. Theatertext. Allerdings wäre durch die neuen digitalen Möglichkeiten auch eine Theateredition denkbar, die von einer durch ein Regiebuch dokumentierten Aufführung ausgeht und als Kontext unterschiedliche Inszenierungen heranzieht, so dass der Dramen- bzw. Theatertext zum Epitext wird.

  • Auswahlkriterien und kategoriale Einordnung der Epitexte: Die Kapazitäten einer digitalen

Edition lassen die beim Buchdruck notwendigen Beschränkungen bei der Auswahl von Epitexten überflüssig erscheinen, Kriterien für ihre Auswahl allerdings nicht. Sie sind in Auseinandersetzung mit dem Editionskonzept zu ermitteln, das wiederum dadurch bestimmt sein sollte, was eine Textgestalt besonders charakterisiert. Für die Edition von populären Dramen um 1800 kann nicht der Autor das zentrale Kriterium sein, sondern die Aufführungspraxis. Nicht die Lebenszeit des Autors, sondern der gewählte Untersuchungszeitraum von 1790 bis 1805 begrenzt darum Rezeptionszeugnisse. Bei den Vorarbeiten hat sich allerdings gezeigt, dass das Problem weniger in der Eingrenzung der Masse als vielmehr in der Ermittlung eines Minimums an geeigneten Textzeugnissen besteht.