Schmidgall, Karin

Aus AG-Tagung 2020
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Karin Schmidgall (Marbach)

  • seit 1989 Diplom-Bibliothekarin, im Deutschen Literaturarchiv Marbach. Referat Projektsteuerung der Bibliothek, Betreuung des Lokalssystems Kallías; Koordination im Projekt "Entwicklung eines neuen Onlinekatalog auf Open Source-Basis" im DLA.
  • Mitglied der Fachgruppe Datenformate für die Arbeitsgemeinschaft der Spezialbibliotheken

Vortrag

Werktitel als Wissensraum

Das geplante Referat untersucht das Spannungsverhältnis zwischen der werkorientierten Erschließung im Archiv- und Bibliotheksbereich (historische Stationen: Panizzi, Cutter, Paris Principles, FRBR, LRM) und dem literatur- und editionsphilologischen Werkbegriff. Am Beispiel der komplexen Überlieferung zu Schillers „Wallenstein“ werden die Divergenzen zwischen den Werk-Konzepten in beiden Bereichen aufgezeigt: Während in der archivarischen und bibliothekarischen Erschließung für das Gesamtwerk „Wallenstein“ und für die drei Teilwerke „Wallensteins Lager“, „Die Piccolomini“, „Wallensteins Tod“ eigene Werktitel- Normdatensätze angelegt werden, geht die Forschung im Gegenteil davon aus, dass es „sich nicht um drei gleichgewichtige, selbständige Werke“ handelt (Volker Meid, Metzler Literatur Chronik, 2006, S. 308). Aus Erschließungssicht liegt eine Sammlung von Werken vor, aus literaturwissenschaftlicher Forschungssicht eher ein gemeinsames Werk. Das Kooperationsprojekt „Werktitel als Wissensraum: Die Erschließung zentraler Werkbeziehungen der neueren deutschen Literatur in der Gemeinsamen Normdatei (GND) gemäß Resource Description and Access (RDA)“ des Deutschen Literaturarchivs Marbach und der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, das im Referat vorgestellt wird, hat zum Ziel, die teilweise voneinander abweichenden Perspektiven der Forschung und der Erschließung auf die zentralen Werkfamilien der neueren deutschen Literatur zu integrieren. Basierend auf einer Auswertung der wichtigsten germanistischen Werklexika werden grundlegende Informationen zur Werkgenese, Geschichte und Überlieferung in Werknormsätzen in der GND erfasst. Diese Grundmenge wird mit in Beziehung stehenden weiteren Werken (z.B. mit medialen Ausprägungen des Werks in Ton und Film) in strukturierter Form relationiert. Werktitel bieten so die Möglichkeit, den Wissensraum GND um die Komponente eines vernetzten Werk-Lexikons zu erweitern, das von der Wissenschaft und vom breiten Publikum konsultiert und nachgenutzt werden kann. Das Referat hat zwei Schwerpunkte: Zunächst werden in einem Werkstattbericht die Problemfälle aus der Projektarbeit ins Auge gefasst, bei denen sich die Abgrenzungsfrage stellt, d.h. bei denen wie im Falle von „Wallenstein“ das Werkverständnis in Wissenschaft und Erschließung voneinander abweicht: Können für Werk- Ansetzungen in der GND gemeinsame Kriterien entwickelt und zugrunde gelegt werden, so dass die Überlieferung auf editorischer und auf erschließungstechnischer Ebene interoperabel repräsentiert wird? In diesem Zusammenhang stellt sich weiterführend die Frage, wie man zugehörige Paratexte bzw. „Beiwerke“ mit erfassen und im Relationsgefüge der GND darstellen kann, z.B. einen Theaterzettel zu „Wallenstein“. Das Referat wird die Repräsentation bzw. Umsetzung solcher Überlieferungskomplexe in GND-Metadaten anhand exemplarischer Werkfamilien der neueren deutschen Literatur zur Diskussion stellen.