Plachta, Bodo

Aus AG-Tagung 2020
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Prof. Dr. Bodo Plachta (Münster)

  • Studium in Münster und Osnabrück
  • 1982 Promotion in Osnabrück
  • 1993 Habilitation in Osnabrück
  • Sprecher der „Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition“ und Mitherausgeber des editionswissenschaftlichen Jahrbuchs „editio“
  • Arbeitete als Germanist an den Universitäten Osnabrück, Darmstadt und Braunschweig sowie an der Vrije Universiteit Amsterdam.

Forschungsschwerpunkte

Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts; Zensur; Literaturbetrieb; Literatur und Musik/bildende Kunst; Exil; Editionswissenschaft.

Grußwort, Moderator Plenum II und Vortrag

Mehr als Werbeträger – Theaterzettel

In Bibliotheken und Archiven sind Theaterzettel massenhaft überliefert, werden inzwischen digitalisiert und ihr Quellenwert wird breit analysiert (Theaterpraxis, Repertoiregeschichte, Karrieregeschichten von Schauspielern). In Editionen finden sich Theaterzettel dagegen meistens nur als illustrierendes ‚Beiwerk‘, um Uraufführungen oder sonstige außerordentliche Aufführungen eines Theatertexts zu dokumentieren oder die Fakten zu verifizieren. Theaterzettel folgen einem spezifischen grafischen Modell und enthalten normierte Informationen: Name des Spielorts, Datum, Titel, Gattung und Autor, die Rollen mit Besetzungen, Beginn und Ende der Aufführung, Eintrittspreise, Orte, wo Eintrittskarten zu erwerben sind, und spezifische Angaben über Abonnements, Gastschauspieler, Informationen über das Stück, das am nächsten Tag gespielt wird. Wenn man aber davon ausgeht, dass Paratexte überhaupt die „Kommunikation von Texten“ organisieren (Kreimeier/Stanitzek 2004), dann werden Theaterzettel in Editionen durch deren Marginalisierung sträflich unterschätzt. Einige Hinweise: Auf den Theaterzetteln der Wanderbühnen finden sich häufig inhaltliche Zusammenfassungen der Spieltexte, die immer dann wichtig sind, wenn die eigentlichen Texte verschollen sind; das gilt auch für Prologe, die sonst nirgends überliefert sind. Es gibt Hinweise, dass der Autor selbst die für die Aufführung vorgesehene (u.U. vom veröffentlichten Text abweichende) Textversion geliefert hat (Beispiel: Schillers Uraufführungstext der Räuber). Autoren (z.B. Schiller) wenden sich via Theaterzettel direkt an das Publikum. Goethe und Schiller entwarfen Theaterzettel für Aufführungen in Weimar und geben Einblick in ihre Theaterpolitik. Hinweise für das Verhalten von Zuschauern während der Aufführung, die sich regelmäßig auf Theaterzetteln finden, gehen auf Goethes Theaterreglement zurück. Theaterzettel gehören ebenso wie Bühnenfassungen, Rollenhefte, Soufflierbücher, Stimmen oder Partituren zu den Aufführungsmaterialien des Sprech- und Musiktheaters. Damit haben sie nicht nur eine wichtige mediale Funktion, sondern auch editorische Relevanz. Einige Aspekte, die im Beitrag ausgeführt werden und die die Bedeutung des Theaterzettels für die Edition herausstreichen sollen, sind: - Theaterzettel sind Textträger - Theaterzetteln sind Quellen, aus denen Bühnenbearbeitungen, aber auch Texteingriffe (Zensur) abgeleitet werden können - Theaterzettel sind Quellen für Entstehung und Rezeption - Theaterzettel sind Paratexte, die der Autor in Kooperation mit dem Theater als Werbemittel für seinen Text einsetzt.