Hannesschläger, Vanessa

Aus AG-Tagung 2020
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Dr. Vanessa Hannesschläger (Wien)

  • seit 2015 Arbeit am ACDH, Leitung mehrerer Arbeitsgruppen zu Rechtsfragen der digitalen Forschung in nationalen und internationalen Forschungsinfrastrukturen, außerdem Arbeit an Projekten über österreichische Nobelpreisträger*innen
  • seit 2017 Leitung der Taskforce „Legal Issues“, die sich mit rechtlichen Aspekten der Forschung im digitalen Raum beschäftigt, am Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
  • seit 2018 Nationale Forschungspartnerin im FWF-geförderten Projekt „Intertextuality in the Legal Papers of Karl Kraus. A Scholarly Digital Edition“
  • Januar 2020 Abschluss der Dissertation zu Fremdsprachen im Bühnenwerk Peter Handkes

Forschungsschwerpunkte

Österreichische Literatur des 20. Jahrhunderts; (Literatur-)Archivkunde; Digitales Edieren und Datenmodellierung

Vortrag

Text, Peritext, Paratext: Probleme der Begriffsdefinition im Kontext der Edition historischer Rechtsakten

Im Projekt “Intertextuality in the Legal Papers of Karl Kraus. A Scholarly Digital Edition” werden die Rechtsakten ediert. Das Korpus bilden über 200 Fälle, in denen der der österreichische Satiriker Karl Kraus im Lauf seines Lebens als Kläger oder Beklagter involviert war. Die digitale Edition ist editionswissenschaftlich aus mehreren Gründen außergewöhnlich: Sie basiert auf einer existierenden gedruckten, jedoch vergriffenen Lesefassung des Materials1. Der Umgang mit den dort enthaltenen Metainformationen zu den edierten Dokumenten, dem Fehlen heute zur Überprüfbarkeit üblichen Faksimiles, aber auch der Umgang mit Kürzungen, Auslassungen und Fehlern, ist das erste Thema, dem sich der vorgeschlagene Vortrag widmen wird. Zentraler noch sind jedoch die Besonderheiten, die sich aus der Natur der zu edierenden Dokumente selbst ergeben. Es handelt sich um Rechtsakten, die als Konvolute aus der Kanzlei von Kraus’ Anwalt Oskar Samek kamen und nach einer turbulenten Zeit im Exil schließlich an die Wienbibliothek im Rathaus wanderten. Es liegt in der Wesenhaftigkeit von Aktenkonvoluten, dass die dort versammelten Materialien sehr heterogen sind. Die Autorschaft der einzelnen Texte ist selten klar (im Falle der Anklagen ist es z. B. unmöglich, die Autorschaft von Kraus, Samek oder Sameks Mitarbeitern gesichert zu bestimmen), was die Auswahl der einzubeziehenden und wegzulassenden Texte erschwert. Hinzu kommt die grundsätzliche Problematik, was in einer Edition von Akten zum “Peritext” gehört und was dagegen schon als “Paratext” anzusehen ist: Ist etwa eine Ladung zu einem Gerichtstermin Teil des (Peri)Texts, oder – um zu “digitalem” Vokabular zu greifen – muss sie (auch aus zeitökonomischen Gründen) als bloße Metadatenlieferantin angesehen werden? Im Bereich der Epitexte schließlich kommt die dem Projekt zugrunde liegende Forschungsfrage ins Spiel: In seiner Zeitschrift Die Fackel hat Kraus viele dieser Gerichtsfälle, thematisiert und aus Anklageschriften, Korrespondenzen und Urteilen direkt oder indirekt zitiert oder diese zur Gänze übernommen. Die so entstandene intertextuelle Korrespondenz zwischen Zeitschrift und Akten möchte das vorliegende Projekt erforschen. Dank der digitalen Verfügbarkeit der Fackel2 können die Korrespondenzen zwischen den Textkonvoluten grundsätzlich abgebildet werden. Die Aufgabenstellung des Projektes besteht jedoch wesentlich darin darzulegen, auf welche Art und Weise das geschieht und was genau der Erkenntniswert der Darstellung dieser Phänomene sein kann. Die Erkenntnisse und Entscheidungen in diesem Bereich werden ebenfalls Thema des vorgeschlagenen Vortrags sein.