Felber, Timo

Aus AG-Tagung 2020
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Prof. Dr. phil. Timo Felber (Kiel)

  • 1992 Magister an der RWTH Aachen (Germanistik, Geschichte, Politik-Wissenschaft)
  • 1994-2006 Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent an der Universität zu Köln (Lehrstuhl Prof. Dr. Ursula Peters)
  • 1998 Promotion an der RWTH Aachen
  • 2006 Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln (venia legendi für Deutsche Philologie)
  • 2007-2010 Vertretungen von Professuren an den Universitäten Göttingen, Konstanz und Freiburg/Br.
  • SoSe 2011 Professur für Deutsche Literatur mit Schwerpunkt Mittelalter an der Universität Konstanz
  • WS 2011/12 Lehrstuhl für Ältere Deutsche Literatur an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Forschungsschwerpunkte

Raumdarstellungen von Städten in mittelalterlicher Literatur; Sozialgeschichte / Mäzenatentum; Historische Anthropologie / Umgang mit Vergänglichkeit; Fiktionalität; Medialität; Intersektonalität; Poetik

Vortrag

Kolophone in mittelalterlichen Handschriften – Edition und Dokumentation

Die literarischen Texte des Mittelalters liegen selten in Autographen, sondern zumeist in Textzeugen vor, die durch Schreiber gefertigt wurden, deren signifikanter Einfluss auf die konkrete Ausgestaltung des mittelalterlichen Textes in der Forschung seit langem kontrovers diskutiert wird. Eine der wenigen konkreten Spuren, in denen die Schreiber als zentrale Instanz des mittelalterlichen Textmodells konkret fassbar werden, sind Kolophone, also Schreiberzusätze, die am Ende der Handschrift respektive der verschriftlichten Texte stehen und die verschiedene Informationen zur Entstehung und Situierung der Handschrift enthalten. Dazu gehören der Name des Schreibers, Entstehungsort und -zeit der Handschrift sowie der Verweis auf den Auftraggeber oder weitere am Schreibprozess beteiligte Personen, also ‚produktionspragmatische‘ Daten, die im gedruckten Buch der (Frühen) Neuzeit zunehmend in andere paratextuelle Bereiche ausgelagert werden. Daneben werden Kolophone aber auch häufig genutzt, um verschiedene Formen der Kommentierung, etwa zur Person des Schreibers, zur Schreibtätigkeit oder auch zum verschriftlichten Text, in den Codex zu implementieren. Mit dieser kommentierenden Funktion stellen Kolophone eine mediale Schnittstelle von Textproduktion und –rezeption dar, deren Relevanz sich auch in ihrer oftmals aufwendigen und dezidiert vom Haupttext abgegrenzten Gestaltung manifestiert. Der geplante Beitrag verfolgt zwei Ziele. Zum einen soll es um die Frage des Umgangs mit Kolophonen bei der Erstellung von Texteditionen gehen. Auch bei handschriftennahen Editionen werden Kolophone vielfach nicht erfasst oder in den Lesartenapparat bzw. den Kommentar ausgelagert. Zu fragen ist, ob Kolophone insbesondere in der spätmittelalterlichen Literarizität (die Verwendung von Kolophonen nimmt im 15. Jh. auch in Relation zur Gesamtmenge der Handschriften signifikant zu) als paratextuelles Moment der Textproduktion wie auch der literarischen Kommentierung nicht Bestandteil von Texteditionen sein sollten und wie bei ihrer editorischen Aufbereitung zu verfahren ist. Die Frage des Umgangs mit Kolophonen rekurriert damit auf eine Schlüsselfrage bei der Edition mittelalterlicher Texte, ob überhaupt von einem Autortext ausgegangen werden kann oder ob historische Manifestationen eines Textes abgebildet werden, die von der Hand von Schreibern gefertigt wurden. Zum zweiten soll im Rahmen des Beitrags ein geplantes Forschungsvorhaben zur systematischen Erfassung und digitalen Edition von Kolophonen vorgestellt werden, das derzeit an der CAU Kiel vorbereitet wird. Im Rahmen dieses Projekts soll der Kolophonbestand in den deutschsprachigen Handschriften des Mittelalters erfasst und umfassend dokumentiert werden, woraus sich spezifische editorische Fragestellungen wie die nach der semantischen Auszeichnung im TEI-Format oder der Abbildung spezifischer ästhetischer Gestaltungsmittel ergeben.