Boelderl, Artur R.

Aus AG-Tagung 2020
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Univ.-Doz. Mag. Dr. Artur Reginald Boelderl (Klagenfurt)

  • 1995 Univ.-Doz. Mag. Dr. phil. Studium der Germanistik und Philosophie, Promotion sub auspiciis praesidentis Rei Publicae in Germanistik (Literaturtheorie)
  • 2006 Habilitation für Philosophie
  • seit 2006 Universitätsdozent am Institut für Philosophie der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt (AAU)
  • bis 2013 Assistenzprofessor am Institut für Philosophie der Katholischen Privatuniversität Linz
  • 2014-2016 Senior Researcher im FWF-Projekt Topographien des Körpers an der Universitätsklinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien
  • 2016-2018 Senior Scientist (Literaturdidaktik) am Institut für GermanistikAECC der AAU, derzeit Senior Researcher im FWF-Projekt MUSIL ONLINE – interdiskursiver Kommentar am Robert-Musil-Institut für Literaturforschung ebenda
  • aktuell Kurator von MUSIL ONLINE (www.musilonline.at). Redaktor bei RISS. Zeitschrift für Psychoanalyse (www.risszeitschriftfuerpsychoanalyse.org).

Forschungsschwerpunkte

Philosophische Natologie; Literaturvermittlung Online; Literatur- und Texttheorie; Dekonstruktion; Geschichte und Gegenwart der Hermetik; Psychohistorie; Philosophie und/der Psychoanalyse; Philosophie des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart; (philosophische) Natologie

Vortrag

Ergon und Parergon, Text und Paratext? Editorische Implikationen ästhetischer Rahmenbestimmungen

Im Zuge seiner Differenzierung von Paratexten bezeichnet Gérard Genette die einen Text direkt umgebende räumliche und materielle Zone als Peritext, der üblicherweise vom Verlag in Absprache mit dem Autor des Textes gestaltet wird und den Buchumschlag, die Titelseite usw. betrifft (vgl. Genette 1992, 22). Der „verlegerische[n] Aufbereitung dieses Peritextes“ (ebd., 23) ordnet Genette spezielle Kategorien zu, die sich vom Buch auf Feuilleton‐Texte übertragen lassen: Format, Reihen, Umschlag und Zubehör, Titelseite und Zubehör, Satz, Auflage (vgl. ebd., 23‐40). So beeinflusst beispielsweise das Format einer Zeitung wesentlich die räumliche Gestaltung der einzelnen Seiten und fördert zudem in vielen Fällen durch die mittige Querfaltung ein hierarchisierendes ‚Oben‘ und ‚Unten‘, in das die Texte eingefügt werden. Und die Rubriken der Zeitung entsprechen der Reihe, die „dem potentiellen Leser sofort anzeigt, mit welchem Typ, wenn nicht mit welcher Gattung von Werk er es zu tun hat“ (ebd., 28). Im Fall feuilletonistischer Publikationen umfasst der peritextuelle Raum die gesamte Seite, auf der der jeweilige Text abgedruckt ist, also auch Texte, die zwar mit dem fokussierten Text inhaltlich nichts zu tun haben, aber redaktionell nebeneinander angeordnet werden. Dieses Verhältnis ist zunächst einmal lediglich ein nachbarschaftliches, entspricht also Moritz Baßlers Beschreibung des Kontextes (vgl. Baßler 2007, 360). Im Feuilleton bilden die den fokussierten Text umgebenden Texte den Peritext und zugleich auch den Kontext durch die unmittelbare mediale und gattungsspezifische Verwandtschaft der Texte. Auch die zwei weiter gefassten peritextuellen Kontexte sind zu berücksichtigen, nämlich die Rubrizierung als ‚Feuilleton‘ und das Publikationsorgan als Ganzes, die Zeitung oder Zeitschrift und deren Profil. Entscheidend und zu untersuchen ist die laut Genette enorm leserlenkende Funktion paratextueller Phänomene – also auch bei Peritexten und Kontexten (vgl. Genette 2004, 12, sowie Bosse 2010). Solchen textologischen Bestimmungen des Rahmens liegen weitreichende Entscheidungen darüber zugrunde bzw. voraus, was an einem ästhetischen Gegenstand unmittelbar zu diesem gehört (ihn als Werk – ἔργον / ergon – konstituiert, in diesem Fall: als Text) und was mittelbar (als dessen Beiwerk – πάρεργον / parergon, in diesem Fall: als Paratext). Mit der Not(wendigkeit), solche Entscheidungen zu treffen, sieht sich jede Editionsabsicht konfrontiert: „Bevor man darüber entscheidet, was in einem Text, der die Frage des Parergon stellt [und welcher Text täte das nicht?], parergonal ist, muß man wissen, was ein Parergon ist – wenn“ und ob „es […] ein solches gibt.“ (Derrida 1992, 84) Die Entscheidung steht von daher unter der Kautele: „Ich weiß nicht, was an einem Werk wesentlich und was nebensächlich ist.“ (Ebd.) Der Frage, wie dieses auf ästhetischer Ebene unvermeidliche Nichtwissen um die Frage des Rahmentextes/Textrahmens dennoch editorisch produktiv bzw. operativ gemacht werden kann, widmet sich unser Beitrag in zwei einander ergänzenden Anläufen: Er diskutiert zum einen das allgemeine Verhältnis von Werk und Beiwerk bei Robert Musil (Boelderl: Was ist ein Rahmen? Par/ergonalität am Beispiel Text und Kommentar auf MUSIL ONLINE) und führt zum anderen am Beispiel von Musils Feuilleton Hasenkatastrophe und dessen (Publikations‐)Geschichte die Bedeutung vor Augen, die der Berücksichtigung textueller Rahmungen an der Schnittstelle zwischen Edition und Rezeption bzw. Interpretation zukommt (Mader: Peritext – Kontext – Intertext. Zu Robert Musils Hasenkatastrophe).