Bohr, Jörn

Aus AG-Tagung 2020
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Dr. Jörn Bohr (Wuppertal)

  • 1997-2002 Studium der Kunstgeschichte und der Kulturwissenschaften an der Universität Leipzig, abgeschlossen mit der Magisterarbeit “Gemeinde- und Verwaltungsbauten der evangelisch-lutherischen Kirche in Leipzig im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert” in Kunstgeschichte.
  • 1999-2002 Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Kulturphilosophie, Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig
  • Im Anschluss an das Studium beteiligt am Projekt der Briefedition Simmels von Prof. Klaus Christian Köhnke (vgl. Band 22 der Georg Simmel Gesamtausgabe) 2002-2003 als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Bielefeld, gleichzeitig Aufnahme der Dissertation “Raum als Sinnordnung bei Ernst Cassirer” bei Prof. Köhnke.
  • 2005-2013 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig
  • 2007 Promotion magna cum laude
  • ab 10/2007 Im DFG-Projekt “Ernst Cassirer: Nachgelassene Manuskripte und Texte” (Band 7 und Band 17, Leitung Prof. Köhnke)
  • seit 10/2014 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Prof. Hartung, Bergische Universität Wuppertal
  • seit 10/2015 Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft philosophischer Editionen (Sprecher: Prof. Hartung)

Forschungsschwerpunkte

Philosophiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts; philosophische Editionen; Kulturphilosophie; Philosophie der Edition

Vortrag

Epitexte im Zentrum der Edition. Das Projekt Forschungsgrundlagen

Das Projekt Forschungsgrundlagen bzw. „Grundlagenforschung zur Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts“ (DFG-Geschäftszeichen HA 2643/14-1) ist in Wuppertal in einer ersten Pilotphase 2015–2019 erfolgreich erprobt worden. Als prägnantes Fallbeispiel diente der als Philosophiehistoriker bekannt gebliebene Wilhelm Windelband, tatsächlich ein gefragter und wirkmächtigen Organisator des Fachs Philosophie von ca. 1880 bis 1915. Das zugrundeliegende Forschungsmodell lässt sich zwanglos sowohl auf andere Protagonisten als auch auf andere Fächer übertragen. Der leitende Gedanke ist, wie dies Klaus Christian Köhnke formuliert hat, einen Prototyp für einen neuartigen editorischen Zugang zur Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte zu schaffen, der die Grundlagen jeglicher Forschung über die betreffenden ‚Kleinmeister der Philosophie‘ (Karlfried Gründer) umfasst: wichtigste biographische Kenntnis, eine verlässliche Primär- und Sekundärbibliographie sowie Briefe und Dokumente, damit nicht jede Forschung wieder ganz von vorn alles aufbauen muss. Nur so scheint den Projektverantwortlichen (Gerald Hartung, Jörn Bohr) Fortschritt in der Geschichtsschreibung der neueren Philosophie möglich, abgesehen davon, dass so auch, frei nach Dilthey der romantischen Willkür in diesem Bereich der Philosophiegeschichte entgegengewirkt werden kann. Dazu werden ganz ausdrücklich die Epi- und Peritexte in den Vordergrund der editorischen Bemühung gestellt. Während nämlich die Bücher eines Windelband, Hans Vaihinger, Otto Liebmann, Alois Riehl, Christoph Sigwart (um nur einige, heute im Fach marginalisierte zu nennen), in wünschenswerter Vollständigkeit in den meisten Universitätsbibliotheken vertreten sind, eine Edition der Werke i.d.S. sich also bereits aus ökonomischen Gründen nicht anbietet, stehen diesem reichen Angebot echte, für die Frage nach der Geschichte der Philosophie seit 1840 einschlägige Desiderata gegenüber: Wir würden uns entscheidende Zugänge zu einer noch zu schreibenden Geschichte der Philosophie des 20. Jahrhunderts verbauen, wenn wir die Netzwerke, Organisationsleistungen und Institutionalisierungsbemühungen der akademischen Philosophen zwischen 1840 und 1918 nicht ernst nehmen. Diese Netzwerke etc. lassen sich freilich nicht an den veröffentlichten Werken der Philosophen allein ablesen, sondern dazu sind die immer noch weitgehend unerschlossenen, jedenfalls kaum systematisch erschlossenen Bestände der Universitätsarchive, der Nachlässe und Briefsammlungen in den Fokus (das Epizentrum) der Edition zu rücken. Die Arbeit der ‚Kleinmeister‘ in Absicht auf eine feste Verankerung der Philosophie in den Universitäten, auf die Etablierung der Philosophie als Fach ist schließlich eine Bedingung der Möglichkeit für unser heutiges Arbeiten in diesem Fach. Die Konzeption Forschungsgrundlagen zeigt paradigmatisch am Werk und Leben Wilhelm Windelbands, was heute unter erschwerten forschungspolitischen Rahmenbedingungen für die Geisteswissenschaften in einem kleinen Forschungsformat möglich ist. Untersuchungsgegenstand sind wissenschaftliches Werk und akademische Karriere, die anhand von Dokumenten zu Leben und Werk, Veröffentlichungen und Briefen erstmals umfassend – in allen wissenschaftspolitischen, -theoretischen und -organisatorischen Kontexten – in den Blick genommen werden. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, die Grundlagen für zukünftige Forschungen zur Philosophiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts zu schaffen und neue Perspektiven für die philosophie- und wissenschaftsgeschichtliche Forschung zu eröffnen. Das Projekt Forschungsgrundlagen verfolgt die Absicht, in öffentlicher Präsentation – im Druck und online – die in diesem Sinne fachlichen Leistungen unserer Vorgänger nicht lediglich abzubilden, sondern durch erschließenden Kommentar in eine Gegenwart zu rücken, die die Kenntnis der Geschichte der Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts als Bedingung für das Arbeiten im Fach Philosophie im 21. Jahrhundert begreift. Auch diese letzte Implikation ist selbstverständlich auf andere an ihrer Wissenschaftsgeschichte interessierte neuere und ältere Fächer übertragbar.