Kaminski, Nicola
Inhaltsverzeichnis
Prof. Dr. Nicola Kaminski (Bochum)
- 1994 Promotion mit einer historisch-kritischen, kommentierten Edition von vier neulateinischen Dramen des Humanisten Nicodemus Frischlin an der Neuphilologischen Fakultät der Universität Tübingen (Doktorvater: Wilfried Barner)
- 1999 Habilitation in Tübingen mit der Arbeit "Kreuz-Gänge: Romanexperimente der deutschen Romantik"
- 2001-2004 Heisenbergstipendium der DFG
- 2005 Ruf an die Ruhr-Universität Bochum auf einen Lehrstuhl für "Neugermanistik, insbes. Literatur der Frühen Neuzeit bis zum 18. Jahrhundert"
- seit 10/2016 Sprecherin der DFG-Forschergruppe "Journalliteratur: Formatbedingungen, visuelles Design, Rezeptionskulturen", deren Hauptstandort Bochum ist (weitere Standorte: Marburg und Köln).
Editionen
- Nicodemus Frischlin: Hildegardis Magna. Dido. Venus. Helvetiogermani. Historisch-kritische Edition. Übersetzung. Kommentar. Bd. 1: Historisch-kritische Edition der lateinischen Texte und deutsche Übersetzung. Bd. 2: Überblicks- und Stellenkommentare. Bern 1995
- Original-Plagiat. Peter Marteaus Unpartheyisches Bedenken über den unbefugten Nachdruck von 1742. Bd. 1: Quellenkritische Edition. Bd. 2: Stellenkommentar, Glossar. Hannover 2013 (zus. mit Benjamin Kozlowski, Tim Ontrup, Nora Ramtke und Jennifer Wagner)
Forschungsschwerpunkte
Literatur und Kultur der Frühen Neuzeit mit einem besonderen Akzent auf der Materialität der Überlieferung und deren Semantiken; die Texte Grimmelshausens und deren Umgang mit Autornamen und Strategien der Inszenierung fiktiver Autorschaft; Journalliteratur/Journalmaterialität/Alterität von Journalpublikation und editorische Schlußfolgerungen; Nichtkanonische, aber beim zeitgenössischen Publikum erfolgreiche Autoren, derzeit insbes. Kotzebue und Clauren
Vortrag
Journalliteratur als Provokation der Editionswissenschaft: eine Problemanzeige
Im Vorfeld des Einrichtungsantrags für die DFG-Forschergruppe »Journalliteratur«, in der sog. ›Skizze‹, gab es das Vorhaben, innerhalb der geplanten Teilprojektkonstellation auch ein editionswissenschaftliches Projekt zu nominieren, das – als Teil einer historisch-kritischen Ausgabe – quer zu den materialphilologischen Prämissen der übrigen Projekte von den (jedenfalls in den neueren Philologien) editionsphilologisch leitenden Parametern ›Autor‹ und ›(Einzel-)Werk‹ ausgegangen wäre und sie, theoretisch reflektiert, mit der Editionspraxis für ›Journaltexte‹ konfrontiert hätte. Dieses Vorhaben ist in der Begutachtung der ›Skizze‹ einhellig auf Ablehnung gestoßen, man sah die Differenz, aber nicht den gerade in der Differenz begründeten systematischen Zusammenhang – die Forschergruppe wurde letztlich ohne dieses Projekt beantragt. Ungeachtet dessen gibt es diesen Zusammenhang, und er kristallisiert sich am Thema der nächsten Jahrestagung der AG Germanistische Edition: an der Frage nach dem Verhältnis von ›Werk‹ und ›Beiwerk‹ und nach daraus abzuleitenden Überlegungen für den editorischen Umgang mit ›Paratexten‹. Denn im Journal – verstanden als Oberbegriff für das gesamte mediale Spektrum periodisch erscheinender, miszellan organisierter Printpublikationen von der Zeitung über die Zeitschrift bis zum Almanach, literarischen Taschenbuch oder Jahrbuch – steht kein Text, sei es in Schrift oder Bild, allein, gibt es, provokant formuliert, nur ›Para-Texte‹: nämlich jeder für die ihn druckräumlich je umgebenden Texte et vice versa, auf derselben Journalseite, in derselben Journalnummer, im Quartals-, Halbjahres- oder Jahresband, letztlich im betreffenden Journal in seinem gesamten Erscheinungsverlauf. Aus der Perspektive der Editionsphilologie, die ihrerseits an der Erstellung eines – in diesem Verständnis ›paratextuellen‹ – Publikationsverbunds arbeitet, jedoch nicht Parametern der medialen Logik verpflichtet (wie Format, Serialität, Miszellaneität), sondern werkbiographischen, stellt sich angesichts dieses ins Unabsehbare sich weitenden journalliterarischen Überlieferungszusammenhangs die Frage nach begründbarer Grenzziehung, auf der Mikroebene (ist die Abmoderation »(Die Fortsetzung folgt.)« noch Teil des zu edierenden Textes?) ebenso wie auf der Makroebene (wo hat der ›Journaltext‹ seine Grenzen?). Denn daß es für den ›Text‹ gleichgültig sei, ob er monographisch zwischen zwei Buchdeckeln erscheint oder in einem Sammelüberlieferungsverbund (von der mediävistischen material philology ist hier unbedingt zu lernen!), wird man (hoffentlich) nicht annehmen wollen; andererseits stehen damit Kategorien wie ›Autor‹ und ›Werk‹ grundsätzlich zur Disposition. Der geplante Tagungsbeitrag versteht sich erstens als Problemanzeige für eine ebenso notwendige wie zunächst einmal aporetische Konfrontation editionswissenschaftlicher Prämissen mit Anforderungen einer materialphilologischen Journalliteraturforschung. Er sucht zweitens dafür zu sensibilisieren, daß das in der wissenschaftlichen community eingebürgerte und weiter differenzierte Genettesche Paratextkonzept, bezogen auf die peritextuelle Dimension des Paratexts, in aller Selbstverständlichkeit von biblionomen Voraussetzungen ausgeht, und zwar speziell vom monographischen Buch; daß im Verhältnis dazu unselbständige Publikation, buch- wie journalförmig, nicht ein völlig anderer (Neben-)Schauplatz ist, sondern derselbe Schauplatz namens literarischer Markt, und daß es deshalb notwendig ist, vom Journal aus auch das Buch noch einmal neu und anders zu denken und folglich medienformatübergreifende Konzepte von ›Peri-‹ und ›Paratext‹ zu modellieren. Drittens schließlich will der Beitrag exemplarische journalliterarische Fälle mit der Editionswissenschaft diskutieren, um gemeinsam Lösungsansätze zu überlegen.